Keine Kassenwerbung für bestimmte Versandapotheken
Wiederholt konnten juristische Erfolge gegen die verbreitete Praxis der Krankenkassen verbucht werden, die Versicherten an bestimmte, in der Regel ausländische Versandapotheken zu verweisen. Zahlreiche Kassen wirken dabei massiv durch Schreiben und Anrufe auf die Versicherten ein, welche nicht selten stark verunsichert reagieren und teils sogar glauben, ihre Arzneimittel nur noch bei den konkret beworbenen Versandapotheken beziehen zu dürfen.
Bereits am 10.04.2006 untersagte das Sozialgericht Hamburg der City BKK durch Urteil, ihre Versicherten zum Bezug von Arzneimitteln bei DocMorris aufzufordern. Dies wurde insbesondere mit einem Verstoß gegen den in Hamburg gültigen Arzneimittel-Lieferungsvertrag begründet. Darin ist geregelt, dass die Versicherten von den Kassen nicht zugunsten bestimmter Apotheken beeinflusst werden dürfen. Daneben war nach Auffassung des Gerichts von Bedeutung, dass das Kammergericht Berlin 2004 DocMorris untersagt hatte, verschreibungspflichtige Arzneimittel nach Deutschland zu liefern, da die deutschen Sicherheitskriterien bislang nicht von den niederländischen Apotheken erfüllt würden (Wir berichteten über das Berliner Urteil im Cosmas 1/2005, 21. Allerdings hat das Bundesministerium für Gesundheit 2005 die Sicherheitsstandards in den Niederlanden als ausreichend erachtet.).
Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg ist noch nicht rechtskräftig. Das Landessozialgericht Hamburg wird in nächster Instanz entscheiden.
Der AOK Hessen untersagte das Sozialgericht Frankfurt/Main im Wege einer einstweiligen Anordnung am 09.08.2006 ihre Versicherten in der Hinsicht zu beeinflussen, Arzneimittel, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bereit zu stellen sind, über namentlich benannte Versandapotheken (z.B. DocMorris) zu beziehen und entsprechend dafür zu werben. Auch in diesem Verfahren wurde ein Verstoß gegen den in Hessen gültigen Arzneiliefervertrag gesehen und eine unzulässige Beeinflussung der Versicherten seitens der Kasse bejaht. Erschwerend wertete das Gericht die zwischen der AOK und den Versandapotheken getroffenen Absprachen, wonach die Versandapotheken den Versicherten Sonderkonditionen gewähren. Der neben den beabsichtigten Einspareffekten verfolgte Zweck der gesetzlichen Zuzahlungsregelung etwa, Medikamente nur bei echtem Bedarf und mit entsprechend konsequenter Einnahme und Compliance einzusetzen, wird nach Auffassung des Richters verfehlt, wenn gegenüber den Versicherten mit der Freistellung von der Zuzahlung geworben wird, ohne, dass die vorgesehenen Befreiungsvoraussetzungen vorliegen. Es sei den Kassen grundsätzlich verwehrt, so das Gericht, außerhalb des Systems der Krankenkassenverbände Einzelverträge mit Versandapotheken zu schließen.
Zur Zeit werden außerdem durch den Landesapothekerverband Baden-Württemberg e.V. sowie durch ein dortiges Mitglied beim Sozialgericht Stuttgart und beim Sozialgericht Karlsruhe Verfahren gegen die Gmünder Ersatzkasse betrieben. Diese hat bei ihren Versicherten –z.B. durch persönliche Telefonanrufe- für den Arzneimittelbezug bei bestimmten Apotheken geworben. Durch Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.08.2006 wurde die Gmünder Ersatzkasse im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet es zu unterlassen, Versicherte direkt zu kontaktieren und spezielle Apotheken (z.B. die niederländische Europa Apotheek, Venlo) namentlich als Bezugsquelle für Medikamente zu benennen. Entsprechend der in Hamburg und Hessen erwirkten Gerichtsentscheidungen, hat das Karlsruher Sozialgericht den in Baden-Württemberg gültigen § 7 Arzneilieferungsvertrag als Neutralitätsgebot gewertet. Die durch den Arzneiliefervertrag vorgeschriebene Neutralität der Krankenkasse sei angesichts der unzulässigen Beeinflussung der Versicherten in unzulässiger Weise missachtet worden.