Vertretung des Apothekenleiters
Anlässlich des Urteils des Berufsgerichts für die Heilberufe beim Landgericht München vom 21.03.2012 erreichen die Landesapothekerkammer derzeit viele Anfragen dazu, wie eine Vertretung des Apothekenleiters während der Urlaubszeit arbeitsrechtlich zu gestalten ist.
Das Berufsgericht München hatte eine Apothekerin, die auf ihrer Homepage Vertretungstätigkeiten auf selbstständiger Basis angeboten hatte, zu einer Geldbuße verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht hatte entschieden, dass die Vertretung des Apothekenleiters nicht auf Honorarbasis, sondern nur im Rahmen von befristeten Arbeitsverhältnissen erfolgen darf. Nach Auffassung des Gerichts verstößt eine auf Honorarbasis ausgeübte Vertretungstätigkeit gegen den Grundsatz der persönlichen Leitung der Apotheke durch den Inhaber.
Auch die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg teilt diese Auffassung. Der Grundsatz der persönlichen Leitung der Apotheke stellt einen zentralen Grundsatz des Apothekenrechts dar, § 7 Apothekengesetz, § 2 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Fährt der Apothekenleiter also z.B. zwei Wochen in den Sommerurlaub, so muss er sich durch einen Apotheker vertreten lassen. Die Vertretung darf insgesamt grundsätzlich drei Monate im Jahr nicht überschreiten, § 2 Abs. 5 ApBetrO.
Auf den Vertreter ist der Grundsatz der persönlichen Apothekenleitung insofern voll anwendbar als er für die Vertretungszeit an die Stelle des Apothekenleiters rückt, das Apothekenpersonal beaufsichtigt und die rechtliche Verantwortung trägt. Dennoch ist er im Verhältnis zum Apothekeninhaber weisungsgebunden, so sind etwa seine Arbeitszeiten regelmäßig festgelegt und er ist ein in den Apothekenbetrieb eingegliederter, abhängig Beschäftigter und erhält Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Aufgrund des auch während seiner Abwesenheit weiterhin gültigen allgemeinen Grundsatzes der persönlichen Leitung der Apotheke hinsichtlich des Inhabers ist in der öffentlichen Apotheke keine andere Gestaltung des Vertreterverhältnisses denkbar. Der Vertreter trägt regelmäßig kein eigenes Unternehmensrisiko, trifft keine Personalentscheidungen und kann seine Arbeitszeit nicht frei einteilen, was typische Merkmale der unabhängigen, freien Mitarbeit wären. Vielmehr ist der Vertreter, auch derjenige, der üblicherweise nicht in dem Betrieb arbeitet und nur für die Vertretung engagiert wird, abhängig beschäftigter Arbeitnehmer und kein selbständiger, freier Mitarbeiter im apotheken- und arbeitsrechtlichen Sinne. Die sozialversicherungs- und steuerrechtliche Beurteilung führt zu keinem anderen Ergebnis.
Nichtsdestotrotz wird, wie auch das Urteil des Berufsgerichts München zeigt, die Vertretung in der Praxis immer wieder als freies Mitarbeiterverhältnis praktiziert. Dies birgt jedoch für beide Seiten nicht unerhebliche Risiken: Wird etwa im Nachhinein durch das Finanzamt oder durch die Sozialversicherungsträger festgestellt, dass der Vertreter des Apothekenleiters kein freier Mitarbeiter ist, sondern ihm tatsächlich ein Arbeitnehmerstatus zukommt, sind nachträglich zu entrichtende Lohnsteuer- oder Sozialversicherungsbeiträge durch den Apothekenleiter abzuführen. Ist dies nicht mehr möglich, macht sich der Apothekeninhaber schadensersatzpflichtig. Als Arbeitnehmer erwirbt der Vertreter Urlaubsansprüche, Lohnfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall sowie gegebenenfalls Anspruch auf Bezahlung von Feiertagen, also letztlich Ansprüche, die dem freien Mitarbeiter nicht zustehen.
Durch die Neufassung der Apothekenbetriebsordnung haben sich diesbezüglich keine Änderungen ergeben.
Zeitarbeitsfirmen
Bei Vermittlungen von Urlaubsvertretungen durch Zeitarbeitsfirmen muss über einen Arbeitsvertrag zwischen dem vermittelten Apotheker und dem Apothekenleiter die Weisungsbefugnis des vertretenen Apothekenleiters sichergestellt werden. Ein Vertragsverhältnis mit dem Verleiher allein reicht nicht aus, um den apothekenrechtlichen Vorgaben zu genügen.
Kurzfristige Abwesenheit
Anders als der Vertreter ist die Aushilfskraft, die z.B. bei kurzfristigen Abwesenheiten des Betriebsinhabers die pharmazeutischen Tätigkeiten der Mitarbeiter beaufsichtigt, neben dem Apothekenleiter tätig und tritt funktionell nicht an die Stelle des Apothekeninhabers. Von einer kurzfristigen Abwesenheit ist z.B. dann auszugehen, wenn der Apothekenleiter nur stundenweise abwesend ist. Erst, wenn der Apothekenleiter seine berufliche komplette Leitungsfunktion nicht mehr wahrnehmen kann und somit die gesamte Verantwortung für den Apothekenbetrieb auf den angestellten Apotheker überträgt, fungiert dieser als Vertreter nach § 2 Abs. 5 ApBetrO. Bestehen Zweifel, ob tatsächlich nur eine kurzfristige Abwesenheit gegeben ist, sollte dies mit dem zuständigen Regierungspräsidium geklärt werden.
Vertretung des Apothekeninhabers durch Apothekerassistenten oder Pharmazieingenieure
Nach § 2 Abs. 6 ApBetrO ist unter bestimmten Voraussetzungen die Vertretung durch einen Pharmazieingenieur oder Apothekerassistenten möglich. Diese Vorschrift wurde bei der Neufassung der Apothekenbetriebsordnung zwar überarbeitet, aber nicht gestrichen. Es bleibt also dabei, dass in den Fällen, in denen eine Vertretung durch einen Apotheker nicht möglich ist, eine Vertretung durch einen Pharmazieingenieur oder Apothekerassistenten in Betracht kommt. Der mit der Vertretung beauftragte Apotheker oder Apothekerassistent oder Pharmazieingenieur hat während der Dauer der Vertretung die Pflichten eines Apothekenleiters. Der Apothekeninhaber allerdings muss bei Rückfragen des Regierungspräsidiums darlegen können, dass er erfolglos versucht hat, sich durch einen Apotheker vertreten zu lassen. Dies setzt voraus, dass sich der Apothekenleiter ernsthaft und rechtzeitig darum kümmern muss, einen Apotheker für seine Vertretung zu finden. Wirtschaftliche Gesichtspunkte finden dabei keine Berücksichtigung.
Die Anwendbarkeit dieser Ausnahmeregelung unterliegt allerdings weiteren rechtlichen Voraussetzungen:
• Anstatt des Approbierten kommt nur ein Apothekerassistent oder Pharmazieingenieur als Vertreter in Betracht, der insbesondere hinsichtlich seiner Kenntnisse, Fähigkeiten und Zuverlässigkeit geeignet ist.
• Der Apothekerassistent oder Pharmazieingenieur muss vor dem Vertretungsbeginn mindestens sechs Monate hauptberuflich in einer öffentlichen Apotheke oder Krankenhausapotheke beschäftigt gewesen sein.
• Vor Vertretungsbeginn ist das zuständige Regierungspräsidium über die Vertretung unter Nennung des Apothekerassistenten bzw. des Pharmazieingenieurs zu unterrichten.
• Zeitlich darf sich der Apothekeninhaber nicht länger als insgesamt vier Wochen innerhalb von zwölf Monaten durch einen Apothekerassistenten oder Pharmazieingenieur vertreten lassen.
Das Sozialministerium Baden-Württemberg hat klargestellt, dass es dem Apothekenleiter freigestellt ist, ob er sich ein Mal ununterbrochen oder jeweils einzelne Tage vertreten lässt, sofern die zulässige Höchstdauer pro Jahr nicht überschritten wird. Die Unterrichtung des Regierungspräsidiums dürfte dann entbehrlich sein, wenn es sich nur um eine stundenweise Vertretung handelt.
Eine Änderung der Vorschrift im Rahmen der Novellierung der Apothekenbetriebsordnung erfolgte dahingehend, dass gemäß § 2 Abs. 6 ApBetrO n.F. eine Vertretung durch einen Pharmazieingenieur oder Apothekerassistenten ausgeschlossen ist, wenn nach § 34 ApBetrO n.F. in der Apotheke Arzneimittel gestellt oder verblistert werden. Gleiches gilt, wenn in der Apotheke nach § 35 ApBetrO n.F. Arzneimittel zur parenteralen Anwendung hergestellt werden.
Im Übrigen bleibt es dabei, dass der Leiter einer krankenhausversorgenden Apotheke sowie der Leiter einer Hauptapotheke im Filialverbund sich nicht durch einen Apothekerassistenten oder Pharmazieingenieur vertreten lassen kann. Dies war bereits nach der alten Fassung der Apothekenbetriebsordnung ausgeschlossen. Hier darf die Vertretung nur durch einen Apotheker erfolgen.