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Notdienst in Not! - LAK BW stellt sich der Herausforderung

07.03.2025

Den Notdienst auf neue Füße stellen - die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK BW) macht konkrete Vorschläge, wie der Apothekennotdienst künftig ausgestaltet sein muss, um ihn kostendeckend zu gewährleisten und gleichzeitig dem Bedarf in der Bevölkerung gerecht zu werden. Wichtigste Stellschrauben sind dabei eine deutliche Erhöhung der Vergütung, eine bedarfsorientierte Aufteilung in Teil- und Vollnotdienste und stärkere Kooperationen mit Ärzt:innen, zum Beispiel in Form eines Videokonsils.

Im Gespräch mit der Deutschen Apotheker Zeitung (DAZ) schildert Kammerpräsident Dr. Martin Braun, wie die einzelnen Punkte aus dem Positionspapier konkret umgesetzt werden können und wie sie den Notdienst nicht nur stabilisieren, sondern zukunftsfest weiterentwickeln. Den Artikel zum Gespräch mit Dr. Braun finden Sie in der aktuellen Ausgabe der DAZ (10/2025) und auf daz.de

Das Positionspapier der LAK BW im Wortlaut

Notdienst in Not!

Der flächendeckende Notdienst der Apotheken stellt eine tragende Säule der Notfallversorgung dar. Um diese für Notfälle unabdingbare Versorgung mit Arzneimitteln sicherstellen zu können, gewährleisten die Apotheken zu jeder Tages- und Nachtzeit, auch an Sonn- und Feiertagen, in allen Regionen des Landes einen für alle Menschen einfach zugänglichen Notdienst. Mit ihrer kompetenten Beratung und der zuverlässigen Erreichbarkeit sind die Apotheken ein unverzichtbarer Bestandteil der Notfallversorgung. Insbesondere im Notdienst, wenn sich Patienten oft in einer außergewöhnlichen Situation befinden, sind die Apotheker als Heilberufler mit umfassender Ausbildung gefragt, um die besonderen Problemstellungen schnell, kompetent und zum Wohle der Patienten bearbeiten zu können.

Hohe Kosten für eine gesellschaftlich notwendige Aufgabe

Doch zunehmend bedarf es seitens der Apothekerschaft zur Bewältigung dieser gesellschaftlich notwendigen Aufgabe erheblich größerer Anstrengungen. Denn die Notdienstsituation spitzt sich zu und das bestehende System der Notfallversorgung stößt an seine Grenzen. Durch das Apothekensterben (allein im Jahr 2023 mussten 88 Apotheken in Baden-Württemberg für immer schließen) müssen die verbleibenden Apotheken immer häufiger Notdienst verrichten, womit auch die wirtschaftlichen Herausforderungen immer größer werden.

Die Verrichtung von Notdiensten ist für Apotheken nicht nur eine zeitliche und organisatorische Belastung. Aus wirtschaftlicher Sicht ist sie sogar ein Minusgeschäft für Apotheken. Nach Berechnungen der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg (LAK BW) betragen die Ausgaben für einen 24 Stunden langen Notdienst mit einem Apotheker durchschnittlich 1943,48 € (1). Mit der Notdienstpauschale von 465,98 € (2) und einem durchschnittlichen Rohertrag von etwa 480,63 € (3) werden diese Kosten nicht gedeckt. Im Gegenteil: Ein Notdienst kostet eine Apotheke im Durchschnitt also 1069,24 € (inkl. Gewerbesteuer).

Die Apothekerschaft geht an ihre Grenzen, um eine gesellschaftlich notwendige Aufgabe zu erfüllen und eine sichere Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. Eine neue Regierung muss das Problem dringend aufgreifen und sinnvoll angehen.

Neue Wege der Notfallversorgung

Der Vorstand der LAK BW spricht sich angesichts der Situation der Apotheken für eine grundlegende Optimierung der Notdienstparameter aus. Dabei muss die Notfallversorgung ganzheitlich und interdisziplinär gedacht werden.

1. Auskömmliche Vergütung der Voll- und Teilnotdienste

Die Vergütung der Notdienste muss im Durchschnitt mindestens kostendeckend sein. Hierzu könnten neben einer Erhöhung der Finanzmittel für den Nacht- und Notdienstfonds (NNF) ein innovativer Verteilmechanismus des NNF auf Voll- und Teilnotdienste beitragen. Im Zusammenspiel mit einer bedarfsorientierten Verteilung der Notdienste (s.u.) können die Pauschalvergütungen für das System sachgerecht erhöht und an die Notdienstapotheken ausgezahlt werden. Eine derartige Lösung würde den Unterschieden des dezentralen Systems der Notdienstverteilung gerecht werden.

2. Anpassung der Notdienstgebühr

Zur Entlastung des Notdienstes soll die Notdienstgebühr von derzeit 2,50 Euro deutlich auf zehn Euro angehoben werden. Mit dieser Maßnahme kann der Patientenstrom gesteuert und auch ein gewisser Beitrag zur Kostendeckung erzielt werden.

3. Neue Organisation der Notdienstverteilung

Um eine Versorgung rund um die Uhr gewährleisten zu können, muss die Verteilung der Notdienste unter Berücksichtigung von Entfernung, infrastrukturellen Gegebenheiten sowie zeitlichen Rahmenbedingungen weiter optimiert werden. Dies kann beispielsweise durch eine intelligente Kombination von Teil- und Vollnotdiensten erreicht werden. Dabei sollen zu Zeiten mit höherem Patientenaufkommen (z.B. nachts bis 23:00 Uhr) mehr Apotheken Notdienst leisten als zu Zeiten mit geringerem Patientenaufkommen (z.B. nachts von 23:00 Uhr bis 08:00 Uhr).

4. Etablierung von telepharmazeutischen und telemedizinischen Konzepten

In Notdienst habenden Apotheken soll die Möglichkeit eines Video-Konsils mit dem ärztlichen Notdienst genutzt werden. Mit Einrichtung eines solchen Konsils kann die Notwendigkeit, den ärztlichen Notdienst aufzusuchen, drastisch reduziert werden, womit dieser deutlich entlastet würde. Zudem ergäbe sich für viele Patienten eine erhebliche Zeitersparnis, wenn bereits in der Apotheke die Situation gemeinsam geklärt werden kann. Dieses Video-Konsil trägt dazu bei, Aufwand und Kosten auf ärztlicher Seite einzusparen, allerdings muss der zusätzliche Aufwand in der Apotheke sachgerecht vergütet werden.

(1) Basierend auf einer Vollkostenrechnung der Treuhand Hannover GmbH. Berücksichtigt sind durchschnittliche Personal- und Betriebskosten einer Apotheke über die 24 Stunden eines Notdienstes. Die Daten beruhen auf Zahlen von 287 Betrieben aus ganz Baden-Württemberg.

(2) Aktuelle Höhe der Auszahlung durch den Nacht- und Notdienstfonds (NNF) des DAV.

(3) Auswertung basierend auf 700 Panel-Apotheken von Pharmatechnik in Baden-Württemberg im Zeitraum von 01 - 06/2023.

Weiterführende Informationen und Materialien

Gespräch mit Kammerpräsident Dr. Martin Braun zu den Hintergründen des Positionspapiers mit der DAZ

Analyse der DAZ zur Berechnungsgrundlage des Positionspapiers

Bericht zum Positionspapier in der Pharmazeutischen Zeitung

Bericht zum Positionspapier bei apotheke adhoc

Kostenkalkulation 24-h-Notdienst für Apothekenleiter:innen [xlsx] – Für Apothekenleiter:innen stellen wir eine Tabelle zur Kostenkalkulation eines 24-Stunden-Notdienstes der eigenen Apotheke zur Verfügung. In der Tabelle können Sie in den hellgrauen Feldern individuelle Werte eintragen. Andere Felder sind geschützt, um eine korrekte Berechnung zu gewährleisten. Nach Eintragung der Werte erhalten Sie Ihre Durchschnittskosten für den Notdienst. Die Kalkulation berücksichtigt Personalkosten, die Kosten für den laufenden Betrieb der Apotheke sowie die Einnahmen während eines Notdienstes.

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